Nach langen Vorbereitungen war es am Freitag, den 12. Juli, endlich so weit: Das P-Seminar „Lobbyismus“ unter der Leitung von Herrn Hildenbrand führte mit den Schülerinnen und Schülern der 10. Klassen ein eigens konzipiertes Planspiel durch, das sie in die Welt der politischen Beeinflussung eintauchen ließ. In der fiktiven Stadt Beeinflussberg sollte ein Einkaufszentrum mit Arcade-Spielen für junge Leute entstehen. Doch der Bau sollte auf einem Naturschutzgebiet am Stadtrand umgesetzt werden, was zu Konflikten zwischen verschiedenen Interessengruppen führte, die die kommunalpolitischen Entscheidungsträger zu beeinflussen versuchten.
Das Ziel des Planspiels war es, den Schülerinnen und Schülern den Einfluss von Lobbyismus auf kommunalpolitische Entscheidungsprozesse näherzubringen. Dafür übernahmen die Teilnehmer verschiedene Rollen, darunter Kommunalpolitiker von SPD, Grünen, FDP, CSU, AfD und Linken, sowie Vertreter der Stadtverwaltung, Medien und diverse Interessengruppen wie Tierschutzverbände, Einzelhändler und Wirtschaftsverbände. Bereits bei den Vorbereitungen hatte das Planspiel öffentliches Interesse gefunden. So erklärte sich Frau Oberbürgermeisterin Eva Döhla bereit, das P-Seminar mit ihrem Fachwissen zu unterstützen.
Ein besonderes Element des Planspiels waren die „Lobbyismus-Tokens“, die den Interessengruppen zur Verfügung standen, um Politikerinnen und Politikern Vorteile in Aussicht zu stellen. Diese Tokens konnten strategisch eingesetzt werden, um den Entscheidungsträgern finanzielle Unterstützung für Parteiveranstaltungen oder Spenden zu versprechen.
Nach einer kurzen Einführung in die Grundlagen von Lobbyismus und kommunalpolitische Entscheidungsprozesse erhielten die Zehntklässler ihre Rollen. Sie zogen sich an sieben parallele Spielorte zurück, um ihre Positionen auszuarbeiten und sich auf die Podiumsdiskussion sowie die Stadtratssitzung vorzubereiten. In der Podiumsdiskussion, die die Lebendigkeit und Kontroversität einer echten Bürgerversammlung widerspiegelte, kam es dann zum argumentativen „Showdown.“
Für die engagierten Journalisten der BILD und von BR24 war es keine einfache Aufgabe, den Gesprächsbedarf der Akteure in produktive Bahnen zu lenken. Ältere Bürger äußerten Bedenken hinsichtlich der Sicherheit, während junge Bürger auf die erhöhte Attraktivität der Stadt verwiesen, die weniger Wegzug junger Menschen zur Folge hätte. Der Tierschutz sorgte sich um die Biodiversität des Naturschutzgebiets und die Zerstörung eines wichtigen Naherholungsgebiets, während Einzelhändler mit den hohen Mieten im neuen Einkaufszentrum und der Existenzbedrohung ihrer Familienunternehmen argumentierten. Der Wirtschaftsverband Einkaufszentrum verwies auf die Entstehung nachhaltiger Arbeitsplätze und die Generierung von Einnahmen, die Beeinflussberg zu einer lebenswerteren Stadt machen könnten.
Nach einer lebhaften Diskussion fand das Planspiel in der öffentlichen Stadtratssitzung seinen Höhepunkt. Mit einer Mehrheit von 5:2 Stimmen wurde der Bau des Einkaufszentrums beschlossen, wobei CDU, SPD, FDP, AfD und der parteilose Bürgermeister dafür stimmten, während Grüne und Linke dagegen waren.
Im anschließenden Debriefing reflektierten die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen und diskutierten die komplexen Auswirkungen von Lobbyismus. „Es war schwierig nachzuvollziehen, welcher Politiker von welchem Lobbyisten beeinflusst wurde, da weder über die Gespräche noch über die angenommenen Tokens Buch geführt wurde,“ merkte ein Schüler an. Daraus schlussfolgerten die Schüler, dass ein zentrales Lobbyregister ein Instrument sein könnte, das Lobbyismus demokratischer machen könnte.
Ein weiterer Schüler, der den Tierschutz vertrat, sagte: „Wir hatten deutlich weniger Tokens als der Wirtschaftsverband. So war unser Einfluss von vornherein begrenzt.“ Die Teilnehmer erkannten, dass Lobbyismus in der Realität nicht immer einen fairen Interessenausgleich bedeutet, da Ressourcen ungleich verteilt sind.
Ein Schüler, der eine politische Partei vertrat, merkte an: „Wir wurden von den Lobbyisten regelrecht belagert. Es standen teilweise gleich mehrere vor der Tür oder versuchten uns auf den Gängen und in der Aula abzufangen. So war es schwierig, sich ausgewogen zu informieren.“ Auch diese Aussage spiegelt ein realistisches Szenario wider.
Das abschließende Kahoot-Quiz zeigte, dass mit Planspielen erheblich bessere Behaltensleistungen erzielt werden als mit klassischem Unterricht. In der Auseinandersetzung mit den Chancen und Gefahren von Lobbyismus erkannten die Teilnehmer, dass politische Einflussnahme ein Wesensmerkmal der Demokratie ist, aber nicht ohne Regulierung auskommt.
Das P-Seminar plant nun die Entwicklung eines Planspielkoffers, der es ermöglichen soll, ähnliche Simulationen auch an anderen Schulen durchzuführen. So könnte das Projekt einen Beitrag zur politischen Bildung in der Region leisten.
Ein besonderer Dank gilt der Firma Sandler für die freundliche Unterstützung und Übernahme der Materialkosten, ohne die dieses Projekt nicht möglich gewesen wäre.