Zahlreiche Orte in unserer Heimatstadt Hof waren im frühen 19. Jahrhundert Orte jüdischen Lebens – und später Schauplätze von Ausgrenzung, Verfolgung und Vernichtung. Hinter den Fassaden vertrauter Gebäude verbergen sich Schicksale, die nicht vergessen werden dürfen, Schicksale realer Menschen, die hier gelebt, gearbeitet, gehofft und gelitten haben. Menschen, deren Spuren in unserer Stadt zwar noch vorhanden sind, aber oft kaum wahrgenommen werden. Diesen Lebensgeschichten nachzuspüren und sie aus dem Schatten der Vergangenheit zu holen, war und ist das Anliegen des Projekts „Schicksale jüdischer Hofer im Nationalsozialismus“. Im Rahmen eines Schülerwettbewerbs entwickelte die damalige SOR-Gruppe 2018 eine digitale Plattform – eine Website, die zugleich als Audioguide dient. Sie führt durch das jüdische Leben in Hof, erzählt von den Familien Franken, Heymann, Lax & Lump und Reiter. Sie lässt Nachkommen zu Wort kommen, zeigt Fotos, Stammbäume, es gibt Hörtexte und Videos – auf Deutsch, aber auch auf Englisch, Russisch, Französisch, Türkisch und Tschechisch.
Einige Jahre später ist nun in Zusammenarbeit mit der Stadt Hof ein Rundgang aus Granitstelen entstanden, die vor ehemaligen Wohn- und Geschäftshäusern jüdischer Bürgerinnen und Bürger aufgestellt wurden. An jeder Stele befindet sich eine Tafel (entworfen von Sebastian Schumann) mit einem kurzen Informationstext sowie einem QR-Code, der direkt zur Website führt, die in den letzten Monaten von Christian Hager (11c) vollständig neugestaltet und von ihm sowie von Charlie Strunz (Q12) und Johanna Ehrlich (Q12) inhaltlich überarbeitet wurde.
Am 8. Mai 2025 wurde der Stelenrundgang in einem Festakt feierlich eröffnet. Im gut besuchten großen Sitzungssaal des Hofer Rathauses knüpfte Oberbürgermeisterin Eva Döhla an das geschichtsträchtige Datum an. Christian Hager (11c) informierte über die Ursprünge und die Entwicklung des Projekts und betonte das Anliegen der Schülerinnen und Schüler, mit der Seite nicht nur Wissen zu vermitteln, sondern auch Empathie zu wecken. Die Lebensgeschichten der Menschen sollen nicht nur abstrakt, sondern auch durch ihren lokalen Bezug greifbar, berührend und zugänglich gemacht werden. In einer bewegenden Grußbotschaft, die als Video gestreamt wurde, verwies Jackie Reiter, Enkelin des Hofer Kaufmanns Adolf Reiter, der 1938 nach London auswanderte, auf die Bedeutung der Stelen: „Sie erinnern uns an den Kreislauf von Unterdrückung und Asyl, der Teil der menschlichen Geschichte und unserer heutigen Welt ist. Und sie zeigen, dass wir Menschen zu Taten des Mitgefühls und der Großzügigkeit fähig sind. Sie ermutigen die jungen Menschen von heute, dem Anderen, dem Fremden, dem Flüchtling in ihrer Mitte Freundlichkeit und Verständnis entgegenzubringen.“
Nach der Begrüßung im Rathaus wurde vor der Touristeninformation die große Überblicksstele feierlich enthüllt, auf der Wohn- und Geschäftshäuser jüdischer Hofer in einem stilisierten Stadtplan eingetragen sind, wodurch die Vielfalt jüdischen Lebens im frühen 20. Jahrhundert verdeutlicht wird. Anschließend begaben sich die Gäste auf den Weg zu weiteren Stelen, an denen Johanna Ehrlich, Charlie Strunz und Lilly Rödel über das Schicksal der Familien Franken, Reiter und Lax & Lump informierten. Auch hier wurden Grußbotschaften von Nachfahren verlesen, die vermittelten, wie wichtig Erinnerung für unsere Gegenwart ist. An der letzten Station, der Adresse Klostertor 2, wo sich das Landgerichtsgefängnis befunden hatte, wurde der Personen aus Hof und der Region gedacht, die nach den Pogromen vom 11. November 1938 dort inhaftiert wurden. Lilly Rödel eröffnete, begleitete und schloss die Veranstaltung mit getragener Saxophonmusik.
Erinnerung lebt nur weiter, wenn wir sie teilen. Daraus Verantwortung für die Gegenwart und Zukunft ableiten, insbesondere jetzt in derart turbulenten Zeiten und im Hinblick auf aktuelle politische Entwicklungen, ist das Anliegen des Schülerprojekts. Die Webseite findet man unter: schicksale-juedischer-hofer.de.
Christian Hager, Michaela Millitzer, Gertraud Pichlmeier